Warum Hitler nicht im Fernsehen war

Geschichtsunterricht nicht vom Lehrer vor der Tafel, sondern lebendig erzählt von einem Zeitzeugen versprach MPG-Rektorin Martha Freybote gestern ihren Ober­stufenschülern. Zu Gast an der Schule war Berthold Maria Schenk Graf von Stau­fenberg.

KATHARINA BRUCKNER UND SILJA KUMMER

Empfangen wurde der älteste Sohn des Hitler-Attentaters Claus Schenk Graf von Stauffenberg von den sehr aufmerksamen Neuntklässlern und Oberstufenschülern des Max-Plancks-Gym­nasiums. Ein Schüler des Geschichtskurses, der die Veranstal­tung angeregt hatte, gab zu­nächst einem kurzen Überblick über von Staufenbergs Leben. Zeitzeugen-Veranstaltungen ha­ben am MPG schon eine gewisse Tradition. Geschichtslehrer Tho­mas Wagner hatte bereits einen KZ-Überlebenden und einen DDR-Flüchtling eingeladen.                                                                                                                                „Jeder Einzelne von Ihnen könnte ein Enkel von mir sein“, sagte von Stauffenberg zu Beginn seines Vortrags.                                                                                                                                           Er hob stark auf die Unterschiede zwischen der Zeit seiner Kindheit und fugend und der heutigen Zeit ab. So wies er zum Beispiel darauf hin, dass heutzutage ein Leben ohne Handy für die meisten unvorstellbar sei. Als allerdings mitten in der Veranstaltung ein Handy laut­stark los klingelte, war es ausge­rechnet das des 78-jährigen Gas­tes – wofür dieser lautstarken Applaus der Schüler erntete. „Ich bin mir fast sicher, dass mich hier keiner versteht,“ sagte von Stauffenberg, dessen Kind­heit zwischen Fliegeralarm und Nahrungsmangel für heutige Jugendliche wohl nur schwer vorstellbar‘ ist. Diese Kluft wurde deutlich, als eine Schülerin frag­te, ob er Hitler einmal begegnet sei. Mit der Antwort : „Nein, nicht von Angesicht zu Ange­sicht“ gab sie sich nicht zufrie­den und fragte weiter, ob er ihn nicht einmal im Fernsehen ge­sehen hatte. Dass es zu der Zeit noch kein Fernsehen gab, war der Fragestellerin gar nicht bewusst.                                                       Zu den eindrucksvollen Passagen seiner Schilderungen zählten seine ersten Erinnerungen an den Krieg: Drei verschiedene Si­renensignale gab es, die er die Schüler hören ließ. Essen gab es nur mit Lebensmittelkarten: „Man konnte nicht mehr kaufen, was man will“ erzählte der heute 78-jährige. Während sein Vater seiner militärischen Karriere nachging, kümmerten sich seine Mutter und Großmutter um die Familie. „Die Mütter haben zum großen Teil die Last des Krieges getragen“, sagte er. Über weite Passagen seiner Schilderungen blieb von Stauf­fenberg sehr im Allgemeinen, was dann doch wieder wie im Geschichtsunterricht war – nur mit einem etwas älteren Lehrer. Dies mag daran gelegen haben, dass von Stauffenberg bei Kriegsende gerade mal zehn Jahre alt war und deshalb nur wenige persönliche Eindrücke weitergeben konnte. Nach Kriegsende erhielt von Stauffenberg die vom Vater gewünschte humanistische Bildung im Internat in Salem. „Die Frage: Was ziehe ich heute an? stellten wir uns damals nicht“, erzählte er – es gab schlichtweg nur das Nötigste an Kleidung und auch an Essen. Dadurch war das Leben nach der Währungsreform für ihn nur schwer vorstellbar. Einfach in einen Laden gehen und Sachen kaufen können, sei für ihn etwas völlig Neues ge­wesen.                                                                                                                                       Seine Zeit bei der Bundeswehr erwähnte er nur kurz und kam erst auf Nachfrage eines Lehrers näher darauf zu sprechen. Es wurde gefragt, ob sein doch sehr populärer Name eher förderlich oder hinderlich für seine Laufbahn beim Militär gewesen sei. Stauffenberg verglich den Name mit einem Bankkredit, bei welchem die Zinsen die Vor- und Nachteile des Namens seien. „Ich habe immer versucht, die Zinsen zu zahlen.“ meinte Stauffenberg lächelnd.                                                                                                                Zum Schluss gab es noch die Möglichkeit Fragen zu stellen. Die Schüler waren vor allem an alltäglichen Dingen interessiert. So fragte etwa eine Schülerin, ob er in der Schule früher gespickt habe, und ein weiterer Schüler interessierte sich dafür, ob sich die Menschen gegenseitig geholfen haben. Das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurde nicht thematisiert – darum hatte der Gast vor der Ver­anstaltung gebeten, da er als 10-Jähriger nur wenige Erinnerungen daran habe und seinen Vater 1944 exakt zweimal gesehen habe.

Info: Berthold Maria Schenk Graf von Stauffenberg wurde 1934 in Bamberg als ältester Sohn von Claus Schenk Graf von Stauffenberg geboren. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde er mit seinen Geschwistern in Sippenhaft genommen und ins Kinderheim gebracht. Nach Kriegs­ende ging er ins Internat Salem, wo er 1953 das Abitur machte. Er schlug wie sein Vater eine militärische Lauf­bahn ein und blieb bis 1994 im Dienst der Bundeswehr. Heute lebt er mit seiner Frau nördlich von Stuttgart. Das Paar hat drei Söhne.